Im Barclays-Skandal ist mir etwas aufgefallen. Es war der
Begriff: kulturelle Korruption. Ich bin so daran gewohnt, Details von
komplexen, derivativen Themen zu überfliegen, dass mein Interesse geweckt wurde
und ich mehr lesen wollte.
Als kulturelle Korruption wurde bezeichnet, dass Barclays
eine "Einkünfte-um-jeden-Preis"-Strategie verfolgte, eine Kultur der
Angst und Einschüchterung begünstigte, sich bewusst über die Einhaltung
bankrechtlicher Vorschriften hinwegsetzte, über eine 'zerschlagene Kultur'
präsidierte, in der Probleme ignoriert oder begraben wurden und letztendlich
zuließ, dass das Unternehmen 'außer Kontrolle geriet'.
Schon allein dass das Betreiben einer Politik der Einkünfte
um jeden Preis als korrupt hervorgehoben wurde, unterstreicht die Bedeutsamkeit
von Unternehmenswerten. Wir alle müssen in gewissem Maße Einkünfte erzielen.
Was letztendlich, wie bei Barclays" zum Desaster führt, ist das 'Um jeden
Preis'.
Wenn ich den Menschen erkläre, dass
meine Arbeit schwerpunktmäßig ausgerichtet ist auf Seminare über Visionen,
Missionen & Werte, sagt man mir oft, wie naiv ich sei, und dass Konzerne
letztendlich nur am Geld interessiert sind. Meine Argumentation ist, dass das
"Nur" entfernt werden muss. Alle Unternehmen sind auf die eine oder
andere Weise gewinnorientiert, aber ohne eine zumindest die Grundwerte
umfassende Unternehmenskultur steuern sie auf Probleme zu.
Eine Kultur der Angst und Einschüchterung zu betreiben ist
nicht Barclays-spezifisch. Über Jahre hinweg konnte ich mitansehen, dass so
eine Politik in großen Organisationen bis hin zu kleineren, familiengeführten
Geschäften weit verbreitet ist. In Workshops, Seminaren und Schulungsmaßnahmen
war meine Sichtweise auf die Organisation oft wie durch eine rosarote Brille.
Wenn sich ein Teilnehmer jedoch im sicheren Umfeld des Einzeltrainings befand, hörte
ich nicht selten alarmierende Beispiele, wonach das Unternehmen die eigenen
Grundsätze nicht lebte. Ich bekam auch fantastische Ideen zu hören, die aus
Angst nie auf den Tisch kamen. Mitarbeiter haben Angst davor, den Job, Boni, Beförderungschancen
zu verlieren und manchmal auch "Kleinigkeiten" wie Schichten,
Ruhezeiten und Urlaubsgenehmigungen. Einschüchterung und Schikane
beeinträchtigen zudem das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen und
verunsichern die Menschen, so dass es eher unwahrscheinlich ist, dass sie für
die Vorgesetzten eine Herausforderung darstellen. Diese Art der Resignation ist
nicht nur eine bittere Enttäuschung für die Menschheit; sie wirkt sich auch
destruktiv auf die Organisation aus und das nicht nur aus rechtlicher Sicht.
Auffallend für mich ist, dass in unserer Einstellung zur
Unternehmensethik einen Paradigmenwechsel stattfindet, wenn wir heute
kulturelle Reformen an erster Stelle auf der Aufgabenliste stehen sehen.
Ich habe mal für eine Firma gearbeitet, bei der es meine
Aufgabe war, in Workshops für neue Mitglieder im Managementteam die
Führungsgrundsätze des Unternehmens zu vermitteln. Ich war beeindruckt.
Beeindruckt, das heißt, bis mein Chef mir sagte, dass die Führungsgrundsätze
'in der Theorie gut sind, aber dass niemand sie anwendet'. Er sagte mir, dass
es im Unternehmen wichtiger ist, was getan wird als wie es getan wird. Ich habe
bald erkannt, dass ich mit den neuen Mitarbeiten genauso gut Sandmandalas hätte
legen können und dass in Verbindung mit einer Angst- und Einschüchterungskultur
meine offene Meinungsäußerung bedeutete, dass ich in dieser Firma zum Glück
nicht lange überlebte. Diese Organisation hatte übrigens zwischenzeitlich eine
sehr schlechte Presse, was den Umgang mit ihren Mitarbeitern anbelangt, sowie
auch eine sehr hohe Personalfluktuation.
Trotz allem ist das Unternehmen weiterhin international äußerst
erfolgreich. Und es ist wichtig, zu erwähnen, dass, soweit mir bekannt ist,
keine Gaunereien bei der Firma laufen. Gleichwohl bedeutet das unter dem
Strich: Wenn eine Firma keine Kultur pflegt, die auf Unternehmenswerte
begründet ist, ist es nur eine Frage der Zeit bis die daraus entstehenden
negativen Auswirkungen sie dazu zwingen wird, ihre Strategie zu überdenken.
Hohe Fluktuation, schwache Arbeitsmoral und finanzielle Rückschläge sind der
Preis für Doppelmoral in der Unternehmenskultur.
Also, nach welchen Werten sollen wir denn nun in unseren
modernen Unternehmen leben? Wie wär's mit: Kommunikation, Respekt, Integrität
und Exzellenz. Hört sich gut an? Vier unentbehrliche Werte, die die Achse eines
jeden Unternehmens sein könnten. Doch halt, wir müssen diese Werte leben, nicht
nennen. Denn das waren schließlich auch die Kernwerte, denen sich Enron
verschrieben hatte!
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